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Popper / Lorenz: ,,Die Zukunft ist offen?? |
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Nachstehend gebe ich Ausz?ge wieder aus dem Buch:
Karl R. Popper / Konrad Lorenz: ?Die Zukunft ist offen?
Das Altenberger Gespr?ch. Mit den Texten des Wiener Popper-Symposiums
Herausgegeben von Franz Kreuzer
Verlag Piper, M?nchen / Z?rich, 2. Auflage, April 1985
ISBN 3-492-00640-X (Serie Piper Band 340)
Zitat: |
Zu diesem Buch:
Die in diesem Band ver?ffentlichten Texte lassen den Leser an zwei Ereignissen des Jahres 1983 teilnehmen, die Aufsehen erregten. Im Februar 1983 trafen sich zwei weltber?hmte Wissenschaftler in Altenberg bei Wien. Karl R. Popper - Wissenschaftstheoretiker und Philosoph -und Konrad Lorenz - Arzt, Zoologe und Verhaltensforscher - diskutierten ?ber ihre wissenschaftliche Arbeit, die Interpretation ihrer Ergebnisse und ?ber ihre philosophischen ?berzeugungen. Zentrales Thema: Was wissen wir ?ber die Zukunft? Sind wir Propheten? Der optimistische Pessimist Lorenz und der Interpret der ?besten aller bisherigen Welten? Popper sind sich darin einig, da? unsere Welt biologisch und geistig offen ist.
Im Mai 1983 fand in Wien ein dreit?giges Symposium aus Anla? des 80. Geburtstages von Sir Karl Popper statt. Unter den ?berschriften ?Wissenschaft und Hypothese?, ?Die drei Welten? und ?Die offene Gesellschaft? diskutierte Popper mit Kollegen ?ber sein Denken. Eine Formel daf?r k?nnte lauten: Dies ist keine Welt der Best?tigung von Wahrheiten, sondern eine Welt der Widerlegung von Irrt?mern. Aber es gibt die Welt, und es gibt auch die Wahrheit; nur Sicherheit ?ber Welt und Wahrheit kann es nicht geben.
Sir Karl R. Popper, geboren 1902 in Wien, Professor (emeritus) f?r Logik und wissenschaftliche Methodenlehre an der Universit?t London, Mitglied der Royal Society, des Institut de France, der Accademia Nazionale dei Lincei und zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften.
Konrad Lorenz, geboren 1903 in Wien, Arzt und Zoologe, 1940 Professor f?r vergleichende Psychologie in K?nigsberg, 1950?1973 Direktor am Max-Planck-Institut f?r Verhaltensphysiologie in Buldern, sp?ter Seewiesen. 1973 Nobelpreis f?r Physiologie und Medizin.
Franz Kreuzer, geboren 1929 in Wien, bis 1966 Reporter, Ressortleiter und Chefredakteur der ?Arbeiterzeitung?, bis 1974 Chefredakteur des aktuellen Dienstes, 1974-1978 Intendant des zweiten Fernsehprogramms im ORF, ab 1979 Chefredakteur, ab 1984 Informations-Intendant des ORF, Wien.
Franz Kreuzer hat das Altenberger Gespr?ch und das Popper-Symposium moderiert.
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1. Tag:
Wissenschaft und Hypothese
(Karl R. Popper, Roman Sexl, Rupert Riedl, Friedrich Wallner, Paul Weingartner)
Popper: ?Wissenschaft und Hypothese? ist der Titel eines Buches von Henri Poincar?, eines der hervorragendsten B?cher der Philosophie der Wissenschaften; ich habe ihn deshalb als Titel f?r das Thema des heutigen Tages gew?hlt.
Ich m?chte mit einem Bekenntnis zur Naturwissenschaft beginnen. Die Wissenschaft steht heute unter dem Einflu? von sehr fragw?rdigen modernistischen Str?mungen. Sie wird nicht nur von au?en, sondern auch von innen angegriffen. Aber ich halte die Naturwissenschaft neben der Musik, der Dichtung und der Malerei f?r die gr??te Leistung des menschlichen Geistes. Nat?rlich kann alles mi?braucht werden. Auch die Musik kann mi?braucht werden, und sie wird mi?braucht. Auch die Malerei kann mi?braucht werden, und sie wird mi?braucht. Und so wird auch die Wissenschaft mi?braucht. Trotzdem ist die Naturwissenschaft unsere gr??te Hoffnung. Wenn wir uns aus dem Sumpf, in den wir geraten sind, herausziehen k?nnen, dann sicher nur mit Hilfe der Wissenschaft. Das klingt wohl ?szientistisch?, wie man das heute nennt.
Der Vorwurf des Szientismus pa?t nicht
Ich m?chte daher betonen, da? der Vorwurf des Szientismus nicht auf die Wissenschaftler pa?t. Kein einziger der gro?en Wissenschaftler kann als Szientist bezeichnet werden. Alle gro?en Wissenschaftler waren der Wissenschaft gegen?ber skeptisch, vorsichtig. Sie haben gewu?t, wie wenig wir wissen. Der Vorwurf des Szientismus kann zum Beispiel kaum gegen Henri Poincar? erhoben werden. Newton, der einer der gr??ten Menschen war und wahrscheinlich der gr??te aller Wissenschaftler, hat von sich als von einem kleinen Jungen gesprochen, der am Strand des Meeres kleine Steine und Muscheln aufliest und kaum sieht, da? ein unbekanntes Gebiet, das Meer, vor ihm liegt. Ich glaube, da? alle wirklichen Wissenschaftler sich ?hnlich wie Newton gesehen haben: Sie haben gewu?t, da? wir nichts wissen und da? auch auf dem Gebiet, das von der Wissenschaft schon beackert ist, alles ganz unsicher ist. Wie Sie ja alle wissen, wurde die Newtonsche Theorie durch die Einsteinsche Theorie mehr oder weniger abgel?st. So geht es eben in der Wissenschaft.
Bis vor etwa hundert Jahren hat man gedacht, da? das von Newton erschlossene Gebiet der Mechanik das ganze Gebiet der Wissenschaft umfassen wird. Etwa um 1890 wurde ein neues Gebiet durch die Entdeckung des Elektrons von J. J. Thomson aufgeschlossen: das Gebiet der Elektronik. Das hat zu einer Revolution gef?hrt, die kaum jemand au?erhalb der Wissenschaft bemerkt hat, n?mlich zur elektronischen Revolution, in der wir heute leben. Es gibt verschiedene Phasen in dieser Revolution, auf die ich nicht eingehen werde. Was ich betonen m?chte, ist, da? die Wissenschaft Menschenwerk ist. Und als Menschenwerk ist die Wissenschaft fehlbar. Nur eben das Bewu?tsein der Fehlbarkeit der Wissenschaft ist es, was die Wissenschaftler von Szientisten unterscheidet. Denn wenn der Szientismus ?berhaupt etwas ist, dann ist es der blinde, dogmatische Glaube an die Wissenschaft. Aber dieser blinde Glaube an die Wissenschaft ist den echten Wissenschaftlern fremd. Und daher ist der Vorwurf des Szientismus vielleicht ein Vorwurf gegen gewisse popul?re Ideen ?ber die Wissenschaft, aber kein Vorwurf, der die Wissenschaftler selbst trifft.
(Zitatende) |
Siehe hierzu auch:
Karl Popper: ?Die kritische Einstellung ist das Wesentliche in der Wissenschaft?
http://www.jocelyne-lopez.de/blog/?p=232
Beste Gr??e Ekkehard Friebe
(Fortsetzung folgt)
Dieser Beitrag wurde schon 1 mal editiert, zum letzten mal von Ekkehard Friebe am 12.04.2008 11:22.
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12.04.2008 11:14 |
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Re: Popper / Lorenz: ,,Die Zukunft ist offen?? |
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1. Fortsetzung zu:
Karl R. Popper / Konrad Lorenz: ?Die Zukunft ist offen?
Das Altenberger Gespr?ch. Mit den Texten des Wiener Popper-Symposiums
Herausgegeben von Franz Kreuzer
Verlag Piper, M?nchen / Z?rich, 2. Auflage, April 1985
ISBN 3-492-00640-X (Serie Piper Band 340)
Karl R. Popper / Konrad Lorenz: ?Die Zukunft ist offen?
Nachstehend bringe ich aus dem oben genannten Buch den Abschnitt:
?Wir wu?ten nicht einmal, was Wasser ist? von den Seiten 49 bis 50:
Zitat: |
1. Tag:
Wissenschaft und Hypothese
(Karl R. Popper, Roman Sexl, Rupert Riedl, Friedrich Wallner, Paul Weingartner)
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Wir wu?ten nicht einmal, was Wasser ist
Popper: In der Wissenschaft gibt es kein Wissen in dem Sinn, in dem man normalerweise im Deutschen vom Wissen spricht. Das wissenschaftliche ?Wissen? ist kein Wissen: Es ist nur Vermutungswissen. Es kann passieren, da? es im Zentrum der Wissenschaft, dort, wo wir es am wenigsten vermuten w?rden, zu einer ?nderung kommt, so da? sich alles ?ndert. Das beste Beispiel ist vielleicht die Entdeckung des ?schweren Wassers?. Ich kann mich selbst - ich bin alt genug, ich bin einundachtzig - genau daran erinnern, was f?r eine ?berraschung, ja geradezu Entsetzen es in Chemikerkreisen gab, als Harold Urey - ich glaube, es war ungef?hr 1932 - das ?schwere Wasser? isolierte. Wasser - H2O - das war sozusagen das triviale Zentrum, das Allersicherste in der ganzen Chemie. Das hat man gekannt, wenn man irgend etwas gekannt hat. Alle Atomgewichte wurden auf Wasserstoff und Sauerstoff bezogen. Die ganze Chemie war sozusagen auf dem Wasser aufgeh?ngt ? und dann stellte sich heraus, da? wir das Wasser nicht kannten, da? wir nicht wu?ten, da? es verschiedene Wasserstoffarten gibt, und da? wir nicht ein Element Wasserstoff vor uns haben, sondern ein Gemisch von verschiedenen Wasserstoffarten, den Isotopen. So geht es aber immer in der Wissenschaft. Wir wissen nicht, an welcher Stelle die Revolution, die Neuentdeckung kommt. Wir k?nnen es nicht voraussehen.
Die andere gro?e Neuentdeckung war nat?rlich die Relativit?tstheorie. Sie war es, die mich so stark beeinflu?t hat in meiner Einstellung zur Wissenschaftstheorie. Ich wei? nicht, ob Einstein gegen?ber Newton recht hat: Niemand wei? das. Was sicher ist, ist, da? Einstein uns gezeigt hat, da? Newton m?glicherweise, ja sogar vermutlich, korrigiert werden mu?te. Und die Newtonsche Theorie war in dieser Zeit die am besten gepr?fte, am besten erprobte Theorie, die es je gegeben hat. Es war eine Theorie, die uns die Welt erschlossen hatte. Durch die Newtonsche Theorie lebten wir in einer Welt, die wir verstehen konnten, das hei?t, die wir geglaubt haben zu verstehen. Und dann kam Einstein und zeigte, da? alle die vielen, vielen Beobachtungen und Experimente, die die Newtonsche Theorie unterst?tzt haben, auch als Unterst?tzung einer vollkommen anderen Theorie gedeutet werden k?nnen. In den Voraussagen der beiden Theorien gab es fast keinen Unterschied, aber Einstein bot eine vollkommen andere Konzeption. Das fr?here Verst?ndnis der Welt erschien oberfl?chlich, verglichen mit dem neuen Verst?ndnis, das die Einsteinsche Theorie er?ffnet hatte. Und einige bei Newton unl?sbaren Probleme wurden l?sbar.
(Zitatende) |
Siehe hierzu auch:
TETENS, H. (1984): ?Der Glaube an die Weltmaschine?
http://www.ekkehard-friebe.de/Tetens.htm
Beste Gr??e Ekkehard Friebe
(Fortsetzung folgt)
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13.04.2008 10:42 |
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Re: Popper / Lorenz: ,,Die Zukunft ist offen?? |
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2. Fortsetzung zu:
Karl R. Popper / Konrad Lorenz: ?Die Zukunft ist offen?
Das Altenberger Gespr?ch. Mit den Texten des Wiener Popper-Symposiums
Herausgegeben von Franz Kreuzer
Verlag Piper, M?nchen / Z?rich, 2. Auflage, April 1985
ISBN 3-492-00640-X (Serie Piper Band 340)
Nachstehend bringe ich aus dem oben genannten Buch den Abschnitt:
?Die Welt wird nicht verdaut, sie wird gemacht? von den Seiten 50 bis 52:
Zitat: |
1. Tag:
Wissenschaft und Hypothese
(Karl R. Popper, Roman Sexl, Rupert Riedl, Friedrich Wallner, Paul Weingartner)
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Die Welt wird nicht verdaut, sie wird gemacht
Popper: Das bedeutet nicht, da? ich sage, die Newtonsche Theorie ist falsch und die Einsteinsche Theorie ist richtig - das bedeutet nur, da? wir an diesem Beispiel sehr deutlich sehen, da? wir es in der Wissenschaft, auch in der sichersten, besten Wissenschaft, durchwegs mit Vermutungswissen zu tun haben. Nicht mit Wissen, sondern mit Vermutungswissen. Was ich ?ber die Wissenschaft zu sagen habe, kann ganz kurz folgenderma?en formuliert werden: Die Wissenschaft ist nicht die Verdauung der Sinnesdaten, die in uns durch unsere Augen und Ohren und so weiter einflie?en und die wir irgendwie zusammenbrauen, durch Assoziationen verkn?pfen und dann zu Theorien machen. Die Wissenschaft besteht aus Theorien, die unser Werk sind. Wir machen die Theorien, wir gehen mit den Theorien in die Welt, wir untersuchen die Welt aktiv und schauen, was wir aus der Welt an Information herausziehen, herausrei?en k?nnen. Die Welt gibt uns keine Information, wenn wir nicht mit dieser Fragestellung an die Welt treten: Wir fragen die Welt, ob diese oder jene Theorie richtig oder falsch ist. Und dann versuchen wir, diese Fragen gr?ndlichst zu untersuchen, ohne jemals Sicherheit zu erlangen.
Wir k?nnen in der Wissenschaft nach Wahrheit streben, und wir tun das. Wahrheit ist der grundlegende Wert. Was wir nicht erreichen k?nnen, ist Sicherheit. Auf die Sicherheit m?ssen wir verzichten. Sicherheit, Gewi?heit k?nnen wir niemals bekommen. Alles, was wir tun k?nnen, ist, da? wir unsere eigenen, von uns geschaffenen Theorien selbstkritisch ?berpr?fen, da? wir selbst versuchen, unsere Theorien zu zerschlagen, zu widerlegen.
Die kritische Einstellung ist das Wesentliche in der Wissenschaft. Zuerst also schaffen wir die Theorien, und dann kritisieren wir die Theorien. Da wir sehr menschlich zu unseren Theorien eingestellt sind und gew?hnlich unsere Theorien verteidigen, statt sie zu kritisieren - n?mlich unsere eigenen Theorien - gibt es so etwas wie einen freundlich-feindlichen Wettbewerb zwischen den Wissenschaftlern. Wenn ich meiner Theorie nicht kritisch genug gegen?berstehe, gibt es hundert Leute, die meiner Theorie sehr kritisch gegen?berstehen. Und diese kritische Einstellung mu? man begr??en.
Was man nicht begr??en mu?, ist, da? die Kritik oft pers?nlich wird. Das ist auch sehr menschlich. Fast immer werden die Kritiken an den Theorien mehr oder weniger pers?nliche Kritiken an den Menschen, die die Theorien vorgebracht haben. Das ist eine menschliche Schw?che, gegen die man eigentlich auftreten sollte, aber es ist ziemlich hoffnungslos. So mu? man das schlucken. Das kommt immer wieder vor. Es ist aber sehr wichtig und auch ungeheuer wichtig aus erzieherischen Gr?nden, ungeheuer wichtig f?r die Demokratie, wenn man mit gutem Beispiel vorangeht und versucht, die Kritik so sachlich wie m?glich zu machen. Es ist vielleicht ein unerreichbares Ideal, aber jedenfalls f?r die Wissenschaftler zumindest ein sehr dringliches und wichtiges Ideal, da? man alle Kritik sachlich vorbringt.
Die Kritik, die ich erw?hnt habe, die Kritik des Szientismus, ist keine sachliche Kritik. Wenn diese Kritik sachlich sein sollte, so m??te der Bek?mpfer des Szientismus auf bestimmte F?lle hinweisen, wo Wissenschaftler zu dogmatisch sind, zu sehr an die Wissenschaft glauben. Solche F?lle sind aber sehr selten, was Wissenschaftler betrifft. Die Bek?mpfer des ?Szientismus? selbst sind sehr dogmatisch und nehmen als selbstverst?ndlich an, da? jeder dogmatisch ist. Die Wissenschaftler sind die einzigen, die es sehr oft nicht sind.
(Zitatende) |
Beste Gr??e Ekkehard Friebe
(Fortsetzung folgt)
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17.04.2008 11:58 |
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Re: Popper / Lorenz: ,,Die Zukunft ist offen?? |
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3. Fortsetzung zu:
Karl R. Popper / Konrad Lorenz: ?Die Zukunft ist offen?
Das Altenberger Gespr?ch. Mit den Texten des Wiener Popper-Symposiums
Herausgegeben von Franz Kreuzer
Verlag Piper, M?nchen / Z?rich, 2. Auflage, April 1985
ISBN 3-492-00640-X (Serie Piper Band 340)
Nachstehend bringe ich aus dem oben genannten Buch die Abschnitte:
?K?bel-Geist und N?rnberger Trichter? und ?Ungefragte Antworten, unbeantwortete Fragen? von den Seiten 52 bis 53:
Zitat: |
1. Tag:
Wissenschaft und Hypothese
(Karl R. Popper, Roman Sexl, Rupert Riedl, Friedrich Wallner, Paul Weingartner)
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K?bel-Geist und N?rnberger Trichter
Popper: Meine Wissenschaftstheorie ist also ungeheuer einfach. Es sind wir, die die wissenschaftlichen Theorien schaffen, es sind wir, die die wissenschaftlichen Theorien kritisieren. Das ist die ganze Wissenschaftstheorie. Wir erfinden die Theorien, und wir bringen unsere Theorien um. Wir schaffen damit neue Probleme und kommen in die Situation, in der wir, wenn wir k?nnen, neue Theorien erfinden. Das ist in kurzem die Wissenschaft und die Wissenschaftsgeschichte. Die ?bliche Theorie ist ganz anders. Die ?bliche Theorie nenne ich die K?bel-Theorie des menschlichen Geistes. Unser Kopf ist ein K?bel. Er hat L?cher, und bei den L?chern flie?t die Information von der Welt hinein. Das ist auch die Grundtheorie der P?dagogik. Die Trichtertheorie ist dann die Theorie des Lehrprozesses. Der K?bel bekommt noch extra einen Trichter aufgesetzt, und dort gie?t man dann das Wissen hinein. Das ist die ?bliche Theorie. Tatsache ist, da? unsere P?dagogik darin besteht, da? man die Kinder mit Antworten ?berh?uft, ohne da? sie Fragen gestellt haben, und auf die Fragen, die sie stellen, h?rt man nicht.
Ungefragte Antworten, unbeantwortete Fragen
Popper: Das ist die gew?hnliche P?dagogik: Ungefragte Antworten und unbeantwortete Fragen. (Zustimmung im Auditorium.)
Darin besteht im wesentlichen unsere P?dagogik. Es ist aber so, da? alle Organismen, nicht nur der Mensch, sondern alle Organismen, dauernd an die Welt Fragen stellen und dauernd Probleme zu l?sen versuchen.
Ich zitiere mich selbst: ?Von der Am?be zu Einstein ist nur ein Schritt.? Wenn Sie sich davon ?berzeugen wollen, empfehle ich Ihnen das ausgezeichnete Buch von J. S. Jennings Das Verhalten der niederen Organismen. Die niedersten Organismen stellen dauernd Fragen an die Welt und versuchen dauernd, Probleme zu l?sen. Wo keine Fragen gestellt werden, k?nnen Antworten nicht verstanden werden. Die Fragen f?hren nat?rlich sehr oft zur Zerst?rung des Organismus.
Alle Organismen stellen und l?sen dauernd Probleme; und daher ist die Wissenschaft eigentlich nichts als eine Fortsetzung der T?tigkeit der niederen Organismen. Es gibt einen gro?en Unterschied zwischen der Am?be und Einstein, und das ist, da? Einstein seinen eigenen Probleml?sungen kritisch gegen?bersteht. Und das kann er nur, weil es eine Sprache gibt, eine menschliche Sprache, in der wir unsere Probleml?sungen formulieren k?nnen. Damit stellen wir sie au?erhalb unseres K?rpers hin. So wie andere Werkzeuge, die wir geschaffen haben. Statt da? wir uns eine Dr?se an die Fingerspitze wachsen lassen - eine Tintendr?se - und damit schreiben, schaffen wir eine Feder. Das ist es, was die Menschen von den Tieren unterscheidet.
(Zitatende) |
Beste Gr??e Ekkehard Friebe
(Fortsetzung folgt)
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21.04.2008 10:34 |
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Re: Popper / Lorenz: ,,Die Zukunft ist offen?? |
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4. Fortsetzung zu:
Karl R. Popper / Konrad Lorenz: ?Die Zukunft ist offen?
Das Altenberger Gespr?ch. Mit den Texten des Wiener Popper-Symposiums
Herausgegeben von Franz Kreuzer
Verlag Piper, M?nchen / Z?rich, 2. Auflage, April 1985
ISBN 3-492-00640-X (Serie Piper Band 340)
Nachstehend bringe ich aus dem oben genannten Buch den Abschnitt:
?Pawlows Hund war viel gescheiter? von den Seiten 53 bis 54:
Zitat: |
1. Tag:
Wissenschaft und Hypothese
(Karl R. Popper, Roman Sexl, Rupert Riedl, Friedrich Wallner, Paul Weingartner)
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Pawlows Hund war viel gescheiter
Popper: Und das wichtigste dieser Instrumente ist die menschliche Sprache. Die Tiere haben auch ihre Sprache, aber sie k?nnen keine Behauptungen aufstellen, sie k?nnen nur ihren inneren Zustand ?kundgeben?, wie es B?hler nennt, und die Kundgabe kann in anderen Tieren eine Reaktion ausl?sen. Aber wir k?nnen unsere Theorien sprachlich formulieren. Und dann k?nnen wir diese Theorien kritisieren. Diese Kritik macht die menschliche Wissenschaft m?glich. Die Bedeutung der Sprache, der sprachlichen Formulierung, und die Bedeutung der Kritik kann man gar nicht ?bersch?tzen. Das ist wirklich das Wichtige in der menschlichen Gesellschaft, und das f?hrt zur Wissenschaft.
Das ist in K?rze meine Wissenschaftstheorie, und ich habe sie schon kurz unterschieden von der K?bel-Theorie des menschlichen Geistes, die auch als Theorie der Induktion bezeichnet werden kann.
Die Theorie der Induktion ist: Aus der Information, die durch unsere Sinne in uns hineinflie?t, lernen wir; und durch Wiederholungen lernen wir Gesetzm??igkeiten. Meiner Meinung nach lernen wir nur durch T?tigkeit, durch Aktivit?t und niemals durch Passivit?t. Der ber?hmte Hund von Pawlow, der angeblich durch den bedingten Reflex gelernt hat, war -- wie alle Hunde -- aktiv an seinem Fressen interessiert. W?re er nicht aktiv an seinem Fressen interessiert gewesen, h?tte er nichts gelernt. So hat er aber die Theorie aufgestellt: Wenn die Glocke l?utet, kommt das Essen. Das ist eine Theorie und kein bedingter Reflex.
Es gibt keine bedingten Reflexe, es gibt keine Assoziationen, das sind alles verfehlte mechanistische Theorien. Nat?rlich habe ich Respekt vor der Assoziationstheorie und Respekt vor der Bedingten-Reflex-Theorie (und ?berhaupt vor der Reflextheorie) als interessante Versuche. Aber es sind fehlgeschlagene Versuche, wie die meisten unserer theoretischen Versuche. Sie leben noch immer, aber eigentlich sind sie ?berwunden. Es gibt keine Assoziation, es gibt keinen Reflex, es gibt keinen bedingten Reflex. Es gibt nur Aktivit?t -- aktives Suchen nach Gesetzen -- und Theorienbildung. Und es gibt die Auslese von Theorien. Das ist, in K?rze, meine Erkenntnistheorie.
(Zitatende) |
Beste Gr??e Ekkehard Friebe
(Fortsetzung folgt)
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23.04.2008 10:40 |
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Re: Popper / Lorenz: ,,Die Zukunft ist offen?? |
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5. Fortsetzung zu:
Karl R. Popper / Konrad Lorenz: ?Die Zukunft ist offen?
Das Altenberger Gespr?ch. Mit den Texten des Wiener Popper-Symposiums
Herausgegeben von Franz Kreuzer
Verlag Piper, M?nchen / Z?rich, 2. Auflage, April 1985
ISBN 3-492-00640-X (Serie Piper Band 340)
Nachstehend bringe ich aus dem oben genannten Buch den Abschnitt:
?Seidenpapier wirft Granaten zur?ck? von den Seiten 55 bis 56:
Zitat: |
1. Tag:
Wissenschaft und Hypothese
(Karl R. Popper, Roman Sexl, Rupert Riedl, Friedrich Wallner, Paul Weingartner)
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Seidenpapier wirft Granaten zur?ck
Sexl: Theorien sind m?gliche Erkl?rungen der Ph?nomene, und die Physik ist ja dadurch ausgezeichnet, da? sie niemals eindeutig ist. Es wird immer gezeigt, da? man etwas vorschlagen kann, das einige Daten erkl?rt, aber es wird nie gezeigt, da? diese Erkl?rung die einzig m?gliche ist. Das kann man an vielen Beispielen aufzeigen: In der Fr?hzeit der Atomphysik hatte J. J. Thomson ein Atommodell aufgestellt, das im wesentlichen aus einem Brei bestand. Auf diesen Brei hat Rutherford mit Alpha-Teilchen geschossen. Er schreibt selbst, wie erstaunt er war, als seine Geschosse zur?ckkamen, als h?tte er mit ?Granaten auf Seidenpapier geschossen? und die Granaten w?ren zur?ckgekommen. Da haben wir ein eklatantes Beispiel f?r eine solche Widerlegung einer Theorie durch das Experiment.
Ein anderes Beispiel, an dem man zeigen kann, da? sich auch Wissenschaftler sehr klar der Hypothesenhaftigkeit ihrer Theorien bewu?t waren, kann ich aus Maxwell ??ber physikalische Kraftlinien? zitieren: Er macht eine Annahme und schreibt dann: ?Wenn wir durch dieselbe Annahme die Ph?nomene der magnetischen Anziehung mit denen des Elektromagnetismus in Verbindung bringen k?nnen, so erhalten wir dadurch eine Theorie, deren Unrichtigkeit nur durch Experimente nachgewiesen werden k?nnte, welche unsere Kenntnisse dieses Gebietes der Physik wesentlich erweitern w?rden.? Hier hat man, glaube ich, sehr klar diesen Gedanken ausgedr?ckt: da? man aus der Unrichtigkeit von Theorien sehr, sehr viel lernen kann, und das, was Sie, Professor Popper, gerade in Kontrast zum Szientismus gesetzt haben, das finden wir hier in exemplarischer Klarheit.
Den Szientismus findet man heute - und ich bin immer erstaunt, wie weit er verbreitet ist - in der Werbung. Dort wird Wissenschaft immer noch als nat?rliche Magie eingesetzt, wie es ungef?hr im achtzehnten Jahrhundert ?blich war ? man mischt irgendein Enzym oder sonst was wissenschaftlich Klingendes bei - und alles ist in Ordnung.
(Zitatende) |
In diesem Zusammenhang verweise ich zu Professor Dr. Roman U. Sexl auf folgenden Eintrag in unserem Forum:
Buchreihe Facetten der Physik, herausgegeben von Prof. Dr. Roman U. Sexl:
http://www.ekkehard-friebe.de/friebeforum/thread.php?threadid=65#p17636370023636299
Beste Gr??e Ekkehard Friebe
(Fortsetzung folgt)
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26.04.2008 10:42 |
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Re: Popper / Lorenz: ,,Die Zukunft ist offen?? |
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6. Fortsetzung zu:
Karl R. Popper / Konrad Lorenz: ?Die Zukunft ist offen?
Das Altenberger Gespr?ch. Mit den Texten des Wiener Popper-Symposiums
Herausgegeben von Franz Kreuzer
Verlag Piper, M?nchen / Z?rich, 2. Auflage, April 1985
ISBN 3-492-00640-X (Serie Piper Band 340)
Nachstehend bringe ich aus dem oben genannten Buch den Abschnitt:
?Was ist ein ?naiver Falsifikationist??? von den Seiten 56 bis 58:
Zitat: |
1. Tag:
Wissenschaft und Hypothese
(Karl R. Popper, Roman Sexl, Rupert Riedl, Friedrich Wallner, Paul Weingartner)
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Was ist ein ?naiver Falsifikationist??
Sexl: Ich m?chte aber jetzt mal folgende Frage anschlie?en: Wir haben hier sehr sch?ne Beispiele daf?r, wie Theorien durch Experimente falsifiziert werden k?nnen. Sie k?nnen nie verifiziert werden, es kann nie ihre Eindeutigkeit gezeigt werden. Aber wenn wir gerade jetzt den gro?en ?bergang von Newton zu Einstein betrachten, der ja auf v?llig anderen theoretischen Grundlagen aufbaute -- da ist dann die Frage, ob gerade an dieser Stelle auch das Experiment die entscheidende Rolle gespielt hat oder ob nicht zwei Theorien einige Zeit nebeneinander bestanden haben, so da? von einer naiven, einer einfachen Falsifizierbarkeit keine Rede gewesen sein kann. Die ?thertheorie, die Einstein abl?ste -- sie war ja der Ausbau der Newtonschen Theorie --, war noch lange mit allen Experimenten vertr?glich, und man kann sie sogar heute noch so formulieren, da? sie mit diesen Experimenten noch immer vertr?glich ist. Hier sieht man eben, da? die Methodik der Falsifizierung weiter ausgebaut werden mu?, da? sie mit Kautelen versehen werden mu?.
Popper: Was Sie sagen, ist ganz richtig. Was ich bestreiten m?chte, ist, da? ich jemals eine solche naive Theorie der Falsifikation aufgestellt habe. Ich habe vom Anfang an in meiner Ver?ffentlichung von 1933 und insbesondere von 1934 betont, da? man jeder Widerlegung ausweichen kann, da? es aber wichtig ist, da? man versucht, seine Theorie so zuzuspitzen, da? sie widerlegt werden kann. Und das hat Einstein in der allgemeinen Relativit?tstheorie tats?chlich getan. Er hat zum Beispiel gesagt: Wenn die Gravitations-Rotverschiebung sich experimentell als unrichtig herausstellen sollte, w?rde er seine Theorie sofort aufgeben. Das ist ein Beispiel, wie sehr Einstein sich dar?ber klar war, da? man auf die Falsifikation hinsteuern mu?. Selbstverst?ndlich w?ren, auch wenn Einstein dann seine Theorie aufgegeben h?tte, viele Einsteinianer ?brig geblieben, die gesagt h?tten: ?Nein, nein, man mu? das gar nicht aufgeben.? Selbstverst?ndlich mu? man niemals eine Theorie aufgeben. Man kann ja immer noch -- das habe ich in der ?Logik der Forschung? ausdr?cklich gesagt -- mit Hilfe von Hilfshypothesen oder anderen Mitteln seine Theorie zu retten versuchen.
Es ist aber meiner Meinung nach die Aufgabe des Wissenschaftlers, wenn irgendwie m?glich, auf solche Entscheidungsexperimente -- die man im Englischen ?crucial experiments? nach dem lateinischen ?experimentum crucis? nennt -- hinzusteuern und wenn m?glich, ein solches Experiment zu machen. Ich wei? nicht, ob ich da auf die Geschichte der Relativit?tstheorie eingehen soll, aber jedenfalls wurde die Beobachtung der Lichtabweichung bei der Sonnenfinsternis 1919 von Engl?ndern energisch betrieben, obzwar es unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg war, in einer Zeit, in der man die deutsche Wissenschaft -- Einstein galt als Deutscher -- sonst sehr abgelehnt hat. Aber das wurde als ein ?crucial experiment? angesehen, und das Ergebnis wurde als sehr stark f?r Einstein sprechend akzeptiert.
Sexl: Aber Einstein hat auch bei vielen Experimenten nicht so reagiert. So wie sich eine Theorie irren kann, so kann sich auch ein Experiment irren. Es gab ja zum Beispiel gerade in der Fr?hgeschichte der Theorie einige Experimente, die durchaus gegen ihn gesprochen haben und wo sich dann erst Jahrzehnte sp?ter herausgestellt hat, was in diesen diffizilen Experimenten schiefgegangen ist: Nicht die Theorie war falsch, sondern das Experiment. Also eine Falsifizierung in diesem Sinn darf auch vom Wissenschaftler, vom Theoretiker in diesem Fall, nicht allzu naiv betrachtet werden, sonst h?tte er sehr bald immer wieder Theorien, die aufzugeben sind.
Popper: Nat?rlich. Wie gesagt, habe ich das immer wieder betont, aber man hat dann an meiner Theorie kritisiert, da? sie die Falsifizierung zu naiv ansehe. Thomas Kuhn zum Beispiel hat nirgendwo geschrieben: ?Popper ist kein naiver Falsifikationist (ich ?bersetze aus dem Englischen), aber man kann ihn als solchen behandeln.? Nat?rlich kann man mich als solchen behandeln. Man kann mich auch als M?rder behandeln -- ich bin kein M?rder, man kann mich als M?rder behandeln.
Sexl: Kein Theorienm?rder. Man kann dann nat?rlich die Frage stellen: Wenn die Falsifikation so kompliziert wird, wenn man sie auf konkrete F?lle anwenden m?chte, gibt es da nicht geeignetere Beschreibungen? Und da sollten wir dann gerade auch auf Thomas Kuhn eingehen und sehen, ob der Vorgang nicht besser als wissenschaftliche Revolution verstanden werden kann.
(Zitatende) |
In diesem Zusammenhang verweise ich auf folgenden Thread in unserem Forum:
?Falsifizierbarkeitsforderung: Eine Fehlleistung Poppers??
http://www.ekkehard-friebe.de/friebeforum/thread.php?threadid=437
Beste Gr??e Ekkehard Friebe
(Fortsetzung folgt)
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28.04.2008 11:34 |
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Re: Popper / Lorenz: ,,Die Zukunft ist offen?? |
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7. Fortsetzung zu:
Karl R. Popper / Konrad Lorenz: ?Die Zukunft ist offen?
Das Altenberger Gespr?ch. Mit den Texten des Wiener Popper-Symposiums
Herausgegeben von Franz Kreuzer
Verlag Piper, M?nchen / Z?rich, 2. Auflage, April 1985
ISBN 3-492-00640-X (Serie Piper Band 340)
Nachstehend bringe ich aus dem oben genannten Buch den Abschnitt:
?Nobelpreise - Lohn f?r die siegreiche Mafia?? von den Seiten 58 bis 59:
Zitat: |
1. Tag:
Wissenschaft und Hypothese
(Karl R. Popper, Roman Sexl, Rupert Riedl, Friedrich Wallner, Paul Weingartner)
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Nobelpreise - Lohn f?r die siegreiche Mafia?
Kreuzer: Hier sollte man doch ein paar Worte ?ber Thomas Kuhn sagen. Von ihm stammt die Wissenschaftstheorie der ?Paradigmata?. Er sagt, die Wissenschaft sei eine Vereinbarung jeweils einer Wissenschaftsmafia, die von der n?chsten abgel?st wird.
Sexl: Es sei eher ein soziologischer Proze? als ein logischer Proze? oder ein kritischer Proze? ....
Kreuzer: Wissenschaft ist das, was zwischen den Wissenschaftlern ausgemacht wird ....
Sexl: Es wird ausgemacht zwischen Gruppen -- wer gewinnt, der hat dann den Nobelpreis. Und da ist die Frage, ob das, wenn die Beschreibung des Widerlegungsvorganges durch Falsifikation so kompliziert wird, eine einfachere und ad?quatere Beschreibung eines solchen Prozesses sein k?nnte.
Popper: Ich w?rde das sehr bek?mpfen. Erstens behaupte ich: Es wird nichts kompliziert hier. Zweitens behaupte ich, da? Kuhn wissenschaftshistorisch unrecht hat. Eine der Thesen von Kuhn, die wissenschaftshistorisch pr?fbar sind, ist seine These, da? jede maturierte Wissenschaft in einem Stadium ist, in dem es nur eine Grundmeinung gibt. Das ist einfach falsch. Die Wissenschaftsgeschichte zeigt, da? die Theorie der Materie von Parmenides und Demokrit bis zu Heisenberg und Schr?dinger in zwei Str?men, zwei Paradigmen im Sinne Kuhns, nebeneinander existiert hat, n?mlich als ?Kontinuum-Theorie? und ?Diskontinuum-Theorie?. Und da? diese beiden gegens?tzlichen Theorien einander nicht nur bek?mpft, sondern befruchtet haben. Das spricht stark gegen die Kuhnsche Theorie.
Das ist aber nicht mein Problem. Mein Problem ist eher die Verteidigung meiner Einstellung, da? Wissenschaft Wahrheitssuche durch Kritik ist. Meine Einstellung ist einfach: Sei erfinderisch und kritisch! Formuliere deine These so scharf wie m?glich! Das ist ein normatives Gesetz, keine Beschreibung der Wissenschaftsgeschichte, sondern ein Rat an den Wissenschaftler zur Verbesserung der Situation in der Wissenschaft. Wo immer du kritisch sein kannst, sei kritisch! Nat?rlich auch: Experimentiere kritisch und sei deinen Experimenten gegen?ber kritisch. Sei dir bewu?t, da? Experimente mi?interpretiert werden k?nnen, wie 1906, 1907 die erw?hnten Kaufmannschen Experimente, die gegen die Einsteinsche Theorie zu sprechen schienen. Dieser Rat ist meiner Meinung nach die Einfachheit selbst. Und zu diesem Kritischsein geh?rt: Versuche immer wieder, ob du etwas auf eine m?gliche Widerlegung zuspitzen kannst. Da? einige meiner Sch?ler sich haupts?chlich damit besch?ftigt haben, meine Theorie zu komplizieren, das ist ein anderes Problem. (Auch da? so viele, die ?ber meine Theorie urteilen, ihr Urteil aufgrund von Ger?chten ?ber meine Theorie gebildet und gefestigt haben, ist ein anderes Problem.)
(Zitatende) |
Erg?nzend hierzu m?chte ich noch hinweisen auf folgenden Kommentar von Paul Hoyningen-Huene zu dem Buch:
Thomas S. Kuhn ?Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen?:
http://www.unics.uni-hannover.de/zeww/045_Hoyningen_KuhnStrk.pdf
Siehe auch in unserem Forum unter:
http://www.ekkehard-friebe.de/friebeforum/thread.php?threadid=420
Beste Gr??e Ekkehard Friebe
(Fortsetzung folgt)
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30.04.2008 09:45 |
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Re: Popper / Lorenz: ,,Die Zukunft ist offen?? |
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8. Fortsetzung zu:
Karl R. Popper / Konrad Lorenz: ?Die Zukunft ist offen?
Das Altenberger Gespr?ch. Mit den Texten des Wiener Popper-Symposiums
Herausgegeben von Franz Kreuzer
Verlag Piper, M?nchen / Z?rich, 2. Auflage, April 1985
ISBN 3-492-00640-X (Serie Piper Band 340)
Nachstehend bringe ich aus dem oben genannten Buch den Abschnitt:
?Der Kampf ums Dasein - ein Kampf der Theorien? von den Seiten 60 bis 61:
Zitat: |
1. Tag:
Wissenschaft und Hypothese
(Karl R. Popper, Roman Sexl, Rupert Riedl, Friedrich Wallner, Paul Weingartner)
[ . . . . . . . . . . . . . . . .]
Der Kampf ums Dasein - ein Kampf der Theorien
Riedl: Ich m?chte gleich bei der Frage des Falsifikationismus anschlie?en. F?r mich als Biologen ist Ihre Theorie, Herr Professor Popper, gegen?ber der Kuhnschen Theorie viel sch?ner. Weil ich glaube, da? Kuhn so etwas wie eine Soziologie des Wissenschaftsprozesses beschreibt, w?hrend Sie fast wie ein Moralist beschreiben, wie die Wissenschaft verlaufen sollte. F?r einen Biologen sieht das dann so aus, als ob in der Kreatur etwas wie das Bed?rfnis verankert w?re -- das ist jetzt ganz schlampig gesagt --, seine Hypothesen zu vertreten. So wie die Mutation, selber eine Hypothese, das Risiko des Organismus ist, der sie tr?gt. Und hier zeigt es sich, da? man die Falsifikation -- in der Biologie jedenfalls -- den Nachbarn ?berl??t, der Population. W?ren Sie einverstanden, da? wir dem Wissenschaftler eingestehen, er d?rfte seine Theorie verteidigen zum Nutzen der Wissenschaft und es dem Nachbarn ?berl??t, sie zu sezieren und zu zerlegen? Ich w?rde mich als eine kulturelle Mutante in dem Sinn betrachten und erwarte, von meiner Umgebung widerlegt zu werden.
Popper: Es ist ein richtiger Standpunkt, da? man seine Theorie auch verteidigen soll. Denn wenn eine Theorie nicht verteidigt wird, dann stellt sich nie heraus, was sie wirklich leisten kann. Sehr oft hat man geglaubt, eine Theorie falsifiziert zu haben, und in Wirklichkeit konnte die Theorie nicht nur gerettet werden, sondern es ergaben sich aus dem Konflikt wichtige neue Elemente in dieser Theorie. Mit einem Wort: Der Kampf ums Dasein dehnt sich vor allem auf die Theorien aus. Man k?nnte geradezu sagen, der so genannte Kampf ums Dasein ist nur ein Kampf zwischen Theorien - vom Anfang an bis zu unserer Zeit. Und daher mu? die Theorie oder der Vertreter der Theorie k?mpfen. Es ist aber auch so, da? sich ein echter Wissenschaftler, bevor er seine Theorie ver?ffentlicht, sehr gut ?berlegt, ob er sie nicht selbst widerlegen kann. Einstein zum Beispiel schreibt irgendwo, da? in den zehn, f?nfzehn Jahren, die er an der allgemeinen Relativit?tstheorie gearbeitet hat, er ungef?hr alle drei Minuten eine neue Theorie selbst verworfen hat. Das ist sicher eine kleine ?bertreibung -- er hat ja unter anderem auch geschlafen und gegessen und Geige gespielt. Aber jedenfalls ist es eine Beschreibung dessen, was ein aktiver Wissenschaftler tut, n?mlich er erfindet und formuliert eine Theorie und sieht fast sofort: Das geht nicht, diese Theorie hat diese und jene Schwierigkeiten, die mir ja auch von anderen Theorien, die ich schon fr?her verworfen habe, bekannt sind -- und daher weg damit!
(Zitatende) |
Beste Gr??e Ekkehard Friebe
(Fortsetzung folgt)
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02.05.2008 10:42 |
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Re: Popper / Lorenz: ,,Die Zukunft ist offen?? |
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9. Fortsetzung zu:
Karl R. Popper / Konrad Lorenz: ?Die Zukunft ist offen?
Das Altenberger Gespr?ch. Mit den Texten des Wiener Popper-Symposiums
Herausgegeben von Franz Kreuzer
Verlag Piper, M?nchen / Z?rich, 2. Auflage, April 1985
ISBN 3-492-00640-X (Serie Piper Band 340)
Nachstehend bringe ich aus dem oben genannten Buch den Abschnitt:
?Das Gehirn: ein Hypothesenorgan oder eine Organhypothese?? von den Seiten 61 bis 62:
Zitat: |
1. Tag:
Wissenschaft und Hypothese
(Karl R. Popper, Roman Sexl, Rupert Riedl, Friedrich Wallner, Paul Weingartner)
[ . . . . . . . . . . . . . . . .]
Das Gehirn: ein Hypothesenorgan oder eine Organhypothese?
Riedl: Mein Auftreten unter Philosophen geschieht nur in Verkleidung. Wie Sie wissen, bin ich Biologe. Wir haben aber im Altenberger Konrad-Lorenz-Kreis immer wieder Gelegenheit gehabt, an Thesen von Ihnen zu kommen, die uns nicht nur geholfen haben, sondern die uns selber wieder Probleme aufgaben. Ein entscheidender Gewinn f?r uns ist Ihre Auffassung, Organe selbst als Hypothesen zu betrachten. Und das interessanteste Organ des Menschen ist sein Gehirn. Und wir befa?ten uns nun mit der Frage: Welche Arten von Hypothesen sind diesem Gehirn bereits eingebaut? Also gewisserma?en: Was ist menschliche Ausstattung von Haus aus?
Und da stimmen wir Ihnen wiederum ganz zu, zu sagen, da? der bedingte Reflex eine, wenn ?berhaupt, sehr spezielle Sache ist wie der Patellarsehnen-Reflex, der wirklich zu den Reflexen z?hlen mag. Und Sie haben vollkommen recht, wenn Sie sagen, da? Pawlow sich geirrt hat, wenn er glaubte, das Speicheln der Hunde w?re ein bedingter Reflex. Wir wissen l?ngst, es ist eine bedingte Appetenz. Bindet man den Hund los, dann wird er bellend und schwanzwedelnd auf die Glocke zulaufen und vor ihr sein ganzes Repertoire sozialen Futterbettelns abwickeln. Er ist also vorbereitet darauf. Und zu diesen Vorbereitungen darf ich ein paar Fragen stellen, die alle in den Umkreis des Induktionsproblems geh?ren. Gewisserma?en erkenntnistheoretisch betrachten wir unser Gehirn als ein Hypothesen erzeugendes Agens.
(Zitatende) |
Beste Gr??e Ekkehard Friebe
(Fortsetzung folgt)
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05.05.2008 09:48 |
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Re: Popper / Lorenz: ,,Die Zukunft ist offen?? |
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10. Fortsetzung zu:
Karl R. Popper / Konrad Lorenz: ?Die Zukunft ist offen?
Das Altenberger Gespr?ch. Mit den Texten des Wiener Popper-Symposiums
Herausgegeben von Franz Kreuzer
Verlag Piper, M?nchen / Z?rich, 2. Auflage, April 1985
ISBN 3-492-00640-X (Serie Piper Band 340)
Nachstehend bringe ich aus dem oben genannten Buch den Abschnitt:
?Warten auf das Alte - Warten auf das Neue? von den Seiten 62, Absatz 2, bis 63, letzter Absatz:
Zitat: |
1. Tag:
Wissenschaft und Hypothese
(Karl R. Popper, Roman Sexl, Rupert Riedl, Friedrich Wallner, Paul Weingartner)
[ . . . . . . . . . . . . . . . .]
Warten auf das Alte - Warten auf das Neue
Riedl: Erster Hinweis: Alle h?heren Organismen verhalten sich nun so, als ob mit der Best?tigung einer Erwartung, die sie an die Natur herantragen, die Folgeerwartung wahrscheinlicher w?rde. So wird ein Eichh?rnchen, das fortgesetzt an taube N?sse kommt, die n?chste Nu? nicht mehr knacken. Eines, das an volle N?sse kommt, wird die jeweils n?chste unbedenklich ?ffnen. So werden wir in einem Hotel, das wir nicht kennen, eine verschlossene T?r nach einigen Versuchen auch morgen f?r verschlossen halten, so wird der Experimentator, wenn ihm ein Experiment gelungen ist, erwarten, da? es ihm das n?chste Mal noch wahrscheinlicher gelingen wird.
Zweiter Hinweis: Er gilt f?r h?here Organismen wie f?r den Menschen. Es sieht so aus, als h?tten wir einen angeborenen Abstraktionsapparat eingebaut. Mein Freund Eibl-Eibesfeldt erz?hlt die so liebe Geschichte, da? sein dreij?hriges S?hnchen, ein erstes Mal seiner neugeborenen Schwester im K?rbchen ansichtig, dieses als ?Wauwau!? bezeichnet hat, es war dem Buben nicht auszureden, die Tierwelt in ?Piepies?, Zweif??er, und ?Wauwaus?, Vierf??er, einzuteilen. Ich glaube, da? dies darauf zur?ckzuf?hren ist, da? die Sinnesdaten zu zahlreich sind, die auf uns einstr?men. Eine Weihnachtsbesorgung in ?berlaufener Stadt bringt uns hunderttausend Menschen vor Augen, die sich zwar alle vollst?ndig auf der Netzhaut abbilden, aber es bleibt nur ein sehr allgemeines Bild - es kann nur ein sehr allgemeines Bild von ihnen zur?ckbleiben. Die ganze Begriffsbildung scheint in dieser Richtung zu laufen.
Drittes Beispiel: Organismen h?herer Art verhalten sich so, als ob bei l?ngerem Ausbleiben eines erwarteten Ereignisses das Eintreten dieses Ereignisses wahrscheinlicher w?rde. Das ist gegen?ber dem Roulette eine katastrophale Strategie, wie wir wissen, ist aber gegen?ber der Natur eine durchaus vertretbare Erwartung. Es bildet sich also auch hier, wie ich vermute, etwas ab. Im ersten die Wahrnehmung, da? es etwas wie eine allgemeine Wahrheit in der Welt g?be, eine Wahrnehmbarkeit, eine Prognostizierbarkeit der Welt; im zweiten, da? zu viele Dinge da sind, als da? wir sie einzeln registrieren k?nnen. In diesem dritten Beispiel nun steckt die Vermutung, da? die Dinge in der Welt ?berwiegend ?geclustert? (englisch: cluster -- Klumpen) w?ren. Es ist ganz richtig, da? bei zunehmender Zahl von Schlechtwettertagen tats?chlich der Sch?nwettertag wahrscheinlicher werden wird.
Und das letzte, ber?hmteste Beispiel - die Philosophen sind ja sehr erfinderisch auf dem Gebiet ornithologischer Beispiele-:
das Beispiel mit den Schw?nen. Wir anerkennen sofort, da? unsere Erwartung, nachdem wir viele wei?e Schw?ne gesehen haben, der n?chste Schwan werde wei? sein, kein logischer Schlu? sein kann, denn der wahrheitserweiternde Schlu? ist unm?glich. Wir glauben aber, empirisch zeigen zu k?nnen, da? es eine Appetenz ist, eine angeborene Erwartung, das bislang Bekannte wiederzuerwarten. Es w?re absurd, deshalb, weil ich sehr viele wei?e Schw?ne gesehen habe, den n?chsten als rot zu erwarten oder ausgef?rbt wie ein Perlhuhn: Man tr?gt vielmehr seine bislang gemachte Erfahrung an diese Welt wieder heran und wird von ihr unter Umst?nden belehrt und berichtigt.
(Zitatende) |
Beste Gr??e Ekkehard Friebe
(Fortsetzung folgt)
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08.05.2008 12:30 |
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Re: Popper / Lorenz: ,,Die Zukunft ist offen?? |
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11. Fortsetzung zu:
Karl R. Popper / Konrad Lorenz: ?Die Zukunft ist offen?
Das Altenberger Gespr?ch. Mit den Texten des Wiener Popper-Symposiums
Herausgegeben von Franz Kreuzer
Verlag Piper, M?nchen / Z?rich, 2. Auflage, April 1985
ISBN 3-492-00640-X (Serie Piper Band 340)
Nachstehend bringe ich aus dem oben genannten Buch den Abschnitt:
?Warum sich Kepler einen Esel genannt hat? von den Seiten 64, Absatz 1, bis 65, Absatz 1:
Zitat: |
1. Tag:
Wissenschaft und Hypothese
(Karl R. Popper, Roman Sexl, Rupert Riedl, Friedrich Wallner, Paul Weingartner)
[ . . . . . . . . . . . . . . . .]
Warum sich Kepler einen Esel genannt hat
Popper: In unserer Einstellung, dauernd mit Hypothesen zu arbeiten, erfinden wir dauernd Hypothesen, und eigentlich erkl?rt das alles. Wir sind dauernd bereit, an Dingen, die uns irgendwie interessieren, mit Hypothesen zu arbeiten, Hypothesen zu riskieren. Und diese Hypothesen sind sowohl Roulette wie Anti-Roulette. Es ist also sowohl Hypothese, wenn ich sage: Na ja, jetzt war es schon genug, jetzt kommt bald etwas anderes, als auch wenn ich sage: Das ist das, was immer kommt. Vielleicht geht es auch immer so weiter. Wir arbeiten mit dem einen oder dem anderen, aber dauernd eben mit Hypothesen, das ist alles.
Kreuzer: Steckt da nicht die Frage drin: Warum ist der Mensch vor-popperianisch angelegt und braucht erst den Karl Popper, um erkl?rt zu bekommen, da? er unrecht hat?
Popper: Das ist eine historische Sache. Es kommt teilweise von Francis Bacon und teilweise von Isaac Newton. Ich habe nicht nur den aller-allergr??ten Respekt vor Newton, sondern im Gegensatz zu allen den modernen Newton-Biographen glaube ich, da? Newton ein wunderbarer Mensch war und da? diese Geschichten, die man sich ?ber ihn erz?hlt, alle falsch sind. Dar?ber m?chte ich jetzt nicht reden. Aber etwas ist richtig: Er hat die Keplerschen Gesetze als das Resultat von Induktion angesehen, vermutlich unter dem Einflu? von Bacon. Die Aufgabe Newtons, wie er sie gesehen hat, war, die Keplerschen Gesetze zu erkl?ren. Die Keplerschen Gesetze waren nicht durch Induktion zustande gekommen, aber Newton hat ausdr?cklich gesagt, da? sie induktiv gesichert sind. Und das hat nat?rlich einen ungeheuren Einflu? gehabt, eben weil Newton, mit Recht, einen ungeheuren Einflu? gehabt hat. Da? die Keplerschen Gesetze nicht induktiv waren, m?chte ich nur mit zwei Worten andeuten.
Kepler selbst hat geschrieben: ?Was f?r ein Esel war ich, da? ich das nicht fr?her bemerkt habe!? Das findet sich bei Kepler. Mit anderen Worten: ?Ich h?tte doch diese Falsifikation schon fr?her bemerken m?ssen in meinen Notizen: Das ist ja der schreiende Fall einer Falsifikation!? Er hat also, wie wir alle, Zeit gebraucht, um zu sehen, wo etwas schief geht und falsch ist. Diese Stelle und ?hnliche Stellen bei Kepler hat Newton nun offenbar nicht gekannt oder nicht entsprechend gesch?tzt. Er hat Keplers Vorgangsweise im Sinne des Nicht-Wissenschaftlers Bacon, des ausgesprochenen Nicht-Wissenschaftlers, des Propagandisten Bacon, als Induktion interpretiert.
(Zitatende) |
Beste Gr??e Ekkehard Friebe
(Fortsetzung folgt)
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10.05.2008 09:57 |
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Re: Popper / Lorenz: ,,Die Zukunft ist offen?? |
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12. Fortsetzung zu:
Karl R. Popper / Konrad Lorenz: ?Die Zukunft ist offen?
Das Altenberger Gespr?ch. Mit den Texten des Wiener Popper-Symposiums
Herausgegeben von Franz Kreuzer
Verlag Piper, M?nchen / Z?rich, 2. Auflage, April 1985
ISBN 3-492-00640-X (Serie Piper Band 340)
Nachstehend bringe ich aus dem oben genannten Buch den Abschnitt:
?Erkenntnisorgan oder ?berlebensorgan?? von den Seiten 65, Absatz 2, bis 66, Absatz 2:
Zitat: |
1. Tag:
Wissenschaft und Hypothese
(Karl R. Popper, Roman Sexl, Rupert Riedl, Friedrich Wallner, Paul Weingartner)
[ . . . . . . . . . . . . . . . .]
Erkenntnisorgan oder ?berlebensorgan?
Kreuzer: Ist es also ?bertrieben zu sagen, da? unser Gehirn an sich empiristisch angelegt ist? Es will ja glauben, da? die Sinneswahrnehmungen stimmen.
Popper: Das halte ich nicht f?r richtig. Unser Gehirn ist nicht empirisch in dem Sinn, sondern unser Gehirn greift aus nach neuem Material, es saugt neue Informationen von der Umgebung ein. Es besch?ftigt sich nicht damit, was es tut, sondern es tut etwas. Was dem Gehirn eingebaut ist, ist das Bed?rfnis, neue Dinge zu entdecken. Wir sind alle als Entdecker angelegt, aber wir besch?ftigen uns nicht damit, da? wir Entdecker sind. Das w?re ja nicht eine einfache Gehirnanlage, sondern eine komplizierte Reflexion.
Riedl: Wir sind sicher als Entdecker angelegt, aber unser Hirn scheint nicht daraufhin spezialisiert worden zu sein, Erkenntnistheorie zu betreiben, sondern zu ?berleben. Und das ist ungleich weniger, jedenfalls in der Diskussion dieses heutigen Vormittags. Als ich noch in Wien in einer vor-Popperschen Zeit zur Schule gegangen bin, hat man das, was ich hier mit ?empirische Erfahrungen? bezeichnet habe, ?Induktion? genannt, in der Erwartung, da? man, auf welche Weise immer, aus einer F?lle von Ereignissen sich ein allgemeines Bild machen k?nnte. Das steht eigentlich schon bei Goethe und hat die Biologie sehr beeinflu?t. Ich bringe dieses Thema hier nicht vor, um in irgendeiner Sache recht zu haben, sondern aus einer gewissen Sorge heraus, da? sich eine Anzahl von Wissenschaften ja als induktive Wissenschaften verstehen und unter Umst?nden ihren Boden verlieren k?nnten, wenn man sich hier nicht ganz versteht. Das gilt besonders f?r die Biologie, die ich zu vertreten habe, f?r die es wiederum sehr wichtig ist, ihren Boden nicht zu verlieren, weil es heute wegen der Umweltprobleme und vieler anderer so wichtig geworden ist und entscheidend, ob sie sich am rechten Weg befinde.
Popper: Ich m?chte nochmals sagen: Der Name ?induktive Wissenschaft? und die Induktion ? das ist die Propaganda von Bacon. Das Wesentliche an der war, sich von der Theologie zu unterscheiden -- zu zeigen, da? es da etwas gibt, das nicht wie Theologie vorgeht. Die, wurde gesagt, geht deduktiv vor, sie geht dogmatisch vor. Im Gegensatz dazu stellte er die andere Methode dar: die der Naturwissenschaft, n?mlich die Baconische Induktion. So ist es zu diesem Mi?verst?ndnis gekommen, das ja nicht so schlimm, aber das halt ein bi?chen oberfl?chlich ist. Man kann etwas tiefer gehen und sagen, hinter dieser so genannten Induktion gibt es noch etwas Interessantes.
(Zitatende) |
Beste Gr??e Ekkehard Friebe
(Fortsetzung folgt)
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13.05.2008 10:42 |
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Re: Popper / Lorenz: ,,Die Zukunft ist offen?? |
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13. Fortsetzung zu:
Karl R. Popper / Konrad Lorenz: ?Die Zukunft ist offen?
Das Altenberger Gespr?ch. Mit den Texten des Wiener Popper-Symposiums
Herausgegeben von Franz Kreuzer
Verlag Piper, M?nchen / Z?rich, 2. Auflage, April 1985
ISBN 3-492-00640-X (Serie Piper Band 340)
Nachstehend bringe ich aus dem oben genannten Buch den Abschnitt:
?Es ist l?cherlich, Metaphysik zu verbieten? von den Seiten 66, Absatz 3, bis 68, Absatz 2:
Zitat: |
1. Tag:
Wissenschaft und Hypothese
(Karl R. Popper, Roman Sexl, Rupert Riedl, Friedrich Wallner, Paul Weingartner)
[ . . . . . . . . . . . . . . . .]
Es ist l?cherlich, Metaphysik zu verbieten
Wallner: Sie haben mir das Stichwort gegeben mit der Induktion. Ich danke daf?r, weil es doch zu einer Kl?rung f?hren kann, die wir vielleicht heute anstreben sollten. Es wird ja im deutschen Sprachraum noch immer behauptet, Sie, Herr Professor Popper, seien ein Positivist, was ich kurios finde. Und wenn man sich nun fragt, was Ihre Beziehung zum Wiener Kreis ist, so scheint mir, da? Sie denkbar weit vom Wiener Kreis entfernt sind. Ich mu? nur ein paar Stichworte hier vorlegen, etwa: Sie entwickeln eine Metaphysik, Sie lassen Metaphysik wieder zu, was f?r einen Vertreter des Wiener Kreises etwas ganz F?rchterliches w?re. Sie haben aber auch andererseits zweifellos vom Wiener Kreis gelernt, wenn ich mir etwa ?berlege, was Sie ?ber rationale Diskussion sagen, zum Unterschied zu einer ?berkommenen, ?berlieferten, traditionellen, spekulativ-idealistischen Philosophie. In diesem Sinne sind Sie ein Mitk?mpfer des Wiener Kreises gewesen und sind es noch immer.
Etwas, was jedem, der Ihre Werke liest, auff?llt, ist Ihre Beziehung zu Kant. Sie selbst haben mir gesagt, Sie sind Kantianer, und ich glaube, man kann auch in jedem Ihrer Werke Bez?ge, Hinweise auf Kant finden. Dieser Bezug zu Kant ?u?ert sich f?r mich am st?rksten darin, da? Sie im Hinblick auf die Wissenschaft die These Kantens vertreten, da? die Struktur der Welt, wie sie die Wissenschaft zur Darstellung bringt, nicht gegeben sei, sondern aufgegeben. Das w?rde ich als Kern Ihrer wissenschaftstheoretischen Aussage auffassen. Andererseits kommen Sie zweifellos ja auch in einen Widerspruch zu Kant, wenn Sie die Metaphysik verteidigen, die metaphysischen Tr?ume, was ein Kantianer wohl nicht zulassen w?rde.
Popper: Ich habe vielleicht nicht hinreichend betont, da? die Hauptaufgabe einer Abgrenzung zwischen Wissenschaft und Metaphysik ist, auch die Metaphysik freizusetzen. Man soll sagen k?nnen: Das ist ein interessantes Problem, leider ist es noch nicht wissenschaftlich, sondern metaphysisch. Vielleicht wird es eines Tages sogar wissenschaftlich werden, aber jedenfalls ist es jetzt noch nicht wissenschaftlich, kann aber doch besprochen werden.
Es ist l?cherlich, zu verbieten, etwas zu sagen, was nicht zur Wissenschaft geh?rt. Das hat der Wiener Kreis versucht. Der Wiener Kreis hat gro?e Verbotstafeln aufgestellt und gesagt: Du darfst nur Wissenschaft reden, alles andere ist Unsinn. Tatsache ist, da? wir sehr viel Nicht-Wissenschaft reden und reden k?nnen m?ssen -- nur sollen wir das nicht f?r Wissenschaft ausgeben. Die Philosophen haben leider Gottes gew?hnlich von ihren metaphysischen Ideen so geredet, als ob sie sogar nicht nur eine Wissenschaft, sondern eine ?ber-Wissenschaft w?ren. Ich sehe diese metaphysischen Theorien eher als vor-wissenschaftlich an, jedenfalls nicht als pr?fbar, wissenschaftlich kritisierbar. Und sobald man das gesagt hat, ist man frei, in der Metaphysik dann alle m?glichen Dinge zu besprechen. Wer sich nicht daf?r interessiert, soll weggehen. Das ist alles. Verbote braucht man nicht aufzustellen.
Was Kant betrifft: Ich glaube, da? Kant unrecht gehabt hat, wenn er gedacht hat, da? die apriorischen Wahrheiten, das hei?t die Wahrheiten, die wir nicht aus unserer Erfahrung gewinnen, sicher und gegeben sind. Wir versuchen nat?rlich von apriorischen Wahrheiten zu sprechen; nur wissen wir nicht, ob sie wahr sind. Und das Nicht-Wissen ist etwas, was Kant untersch?tzt hat. Er hat geglaubt, wir wissen mehr, als wir wirklich wissen. Er hat vollkommen recht gehabt, die euklidische Geometrie als apriori anzusehen, das hei?t also, nicht aus der Erfahrung genommen, sondern als eine Konstruktion von uns anzusehen: Aber er hatte unrecht, wie wir jetzt wissen, zu glauben, da? da eine nicht ?bersteigbare Grenze gegeben ist. Mit anderen Worten: Kant war, obzwar ein gro?er Verehrer von Sokrates, nicht hinreichend Sokratiker. Er hat nicht genug gelernt gehabt, da? wir nichts wissen. Und das ist der Hauptpunkt, der mich von Kant trennt. Wir wissen viel weniger, als Kant geglaubt hat. (Er war von Newton verf?hrt.)
(Zitatende) |
Beste Gr??e Ekkehard Friebe
(Fortsetzung folgt)
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15.05.2008 10:17 |
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Re: Popper / Lorenz: ,,Die Zukunft ist offen?? |
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14. Fortsetzung zu:
Karl R. Popper / Konrad Lorenz: ?Die Zukunft ist offen?
Das Altenberger Gespr?ch. Mit den Texten des Wiener Popper-Symposiums
Herausgegeben von Franz Kreuzer
Verlag Piper, M?nchen / Z?rich, 2. Auflage, April 1985
ISBN 3-492-00640-X (Serie Piper Band 340)
Nachstehend bringe ich aus dem oben genannten Buch den Abschnitt:
?Biologie in der Philosophie? - Warum nicht!? von den Seiten 68, Absatz 3, bis 69, Absatz 1:
Zitat: |
1. Tag:
Wissenschaft und Hypothese
(Karl R. Popper, Roman Sexl, Rupert Riedl, Friedrich Wallner, Paul Weingartner)
[ . . . . . . . . . . . . . . . .]
Biologie in der Philosophie? - Warum nicht!
Wallner: Es w?re noch eine zus?tzliche Frage zu stellen, ich wei? nicht, ob Sie darauf jetzt eingehen wollen. Man h?rt gelegentlich als Kritik gegen?ber Ihrem metaphysischen Ansatz, da? dieser sich am so genannten common sense orientiert und da? das doch letztlich eine biologistische Begr?ndung sei.
Popper: Das macht ja nichts. (Heiterkeit im Auditorium.) Ich bin f?r Freiheit im Denken. Jeder soll sagen, was er als fruchtbar ansieht. Und Kritik soll nicht in allgemeinen Bemerkungen bestehen, wie zum Beispiel: Das ist ein biologistischer oder Was-wei?-ich-Gedankengang, sondern soll konkret sein, soll sagen: Warum ist das nicht akzeptierbar? Und diese konkrete Kritik ist sehr selten. Gew?hnlich findet man solche Kritik, wie zum Beispiel: Das ist dogmatisch. Was kann man damit anfangen? Man kann nur sagen: Bitte, mein Freund, kritisiere es! Darauf sagt er: Ich habe es ja kritisiert, ich habe es ja dogmatisch genannt. Das ist aber keine Kritik! Eine Kritik mu? versuchen zu zeigen, warum eine Theorie oder eine Ansicht nicht akzeptabel ist, n?mlich in ihrem Inhalt nicht akzeptabel ist. Dogmatisch ist ein Mensch, wenn er auf eine solche detaillierte Kritik nicht eingeht. Gew?hnlich sind die Kritiken, die man h?rt, vollkommen uninteressant. Das ist das Traurige. Eine interessante Kritik ist immer ?beraus begr??enswert.
(Zitatende) |
Beste Gr??e Ekkehard Friebe
(Fortsetzung folgt)
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17.05.2008 09:19 |
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Re: Popper / Lorenz: ,,Die Zukunft ist offen?? |
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15. Fortsetzung zu:
Karl R. Popper / Konrad Lorenz: ?Die Zukunft ist offen?
Das Altenberger Gespr?ch. Mit den Texten des Wiener Popper-Symposiums
Herausgegeben von Franz Kreuzer
Verlag Piper, M?nchen / Z?rich, 2. Auflage, April 1985
ISBN 3-492-00640-X (Serie Piper Band 340)
Nachstehend bringe ich aus dem oben genannten Buch den Abschnitt:
?Darf man ?ber den Urknall reden?? von den Seiten 69, Absatz 2, bis 70, Absatz 2:
Zitat: |
1. Tag:
Wissenschaft und Hypothese
(Karl R. Popper, Roman Sexl, Rupert Riedl, Friedrich Wallner, Paul Weingartner)
[ . . . . . . . . . . . . . . . .]
Darf man ?ber den Urknall reden?
Kreuzer: Damit das Wort Metaphysik ein bi?chen Fleisch bekommt: Die Urknalltheorie, die uns jetzt in der Popul?rwissenschaft sehr besch?ftigt, ist eigentlich noch keine Theorie, sie ist streng genommen noch immer Metaphysik?
Popper: Ja, und zwar deshalb, weil die so genannte Hubble-Konstante eine Variable ist und jedes Jahr variabler wird.
Kreuzer: Ich habe gestern zuf?llig zwei Stunden lang mit dem gro?en ?sterreichischen Kosmologen Thomas Gold im Studio gesprochen, der die ?steady-state?-Theorie gegen die Urknalltheorie aufgestellt hat, und er ist der Meinung, beide Theorien, auch seine eigene, stimmen nicht: Wir m?ssen daran arbeiten, eine dritte, neue Theorie zu finden. Im Sinne dieser Kritik sind das alles metaphysische Forschungsanordnungen, noch nicht physikalische Theorien. W?re es verboten, Metaphysik zu betreiben, d?rfte man also ?ber den Urknall nicht nachdenken. Ist das richtig?
Popper: Na ja, ungef?hr so. (Heiterkeit im Auditorium.)
(Zitatende) |
Beste Gr??e Ekkehard Friebe
(Fortsetzung folgt)
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22.05.2008 11:34 |
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Re: Popper / Lorenz: ,,Die Zukunft ist offen?? |
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16. Fortsetzung zu:
Karl R. Popper / Konrad Lorenz: ?Die Zukunft ist offen?
Das Altenberger Gespr?ch. Mit den Texten des Wiener Popper-Symposiums
Herausgegeben von Franz Kreuzer
Verlag Piper, M?nchen / Z?rich, 2. Auflage, April 1985
ISBN 3-492-00640-X (Serie Piper Band 340)
Nachstehend bringe ich aus dem oben genannten Buch den Abschnitt:
?Ist Metaphysik falsifizierbar?? von den Seiten 70, Absatz 3, bis 72, Absatz 1:
Zitat: |
1. Tag:
Wissenschaft und Hypothese
(Karl R. Popper, Roman Sexl, Rupert Riedl, Friedrich Wallner, Paul Weingartner)
[ . . . . . . . . . . . . . . . .]
Ist Metaphysik falsifizierbar?
Weingartner: Ich will auf zwei Punkte eingehen, die einen Philosophen nat?rlich besonders interessieren: die Wahrheitsfrage und die Abgrenzung zwischen Metaphysik und Wissenschaft. Zur Wahrheitsfrage: Ich denke ja tats?chlich, da? Du, Karl, in Deinen Arbeiten zu diesem alten oder ich m?chte sagen ewigen Problem der Metaphysik zwei ganz neue Gesichtspunkte gebracht hast. Und das ist ja gar nicht leicht, das ist nur wenigen vorbehalten, m?chte ich sagen, zu ewigen Problemen der Philosophie neue Gesichtspunkte hinzuzuf?gen. Der eine Gesichtspunkt war ja der, da? Du immer betontest, da? es auch in der Wissenschaft nicht gen?gt, nur zu fragen, ob etwas wahr ist.
Die Wissenschaft ist ja nicht daran interessiert, sehr viele singul?re Einzelwahrheiten nebeneinander zu haben, die man nicht in einen Zusammenhang bringen kann. Sie ist weiters nicht daran interessiert, uninteressante Wahrheiten zu erfahren. Zum Beispiel Wahrheiten wie X = X, eine Wahrheit, die in der Logik sehr interessant sein kann, die aber f?r die Erfahrungswissenschaften trivial und nichtssagend ist. Mit anderen Worten: Was Du eingef?hrt hast, war ja die Idee des empirischen Gehalts. Wann ist eine Aussage, eine erfahrungswissenschaftliche Aussage empirisch oder wann hat sie einen empirischen Informationsgehalt? Dann, wenn es eine Klasse von Tests?tzen gibt, empirischen Tests?tzen, die ihr widerspricht: Und wenn diese Klasse eben nicht leer ist, dann ist die Theorie falsifizierbar und hat einen Gehalt. Das war ja auch die Grundlage f?r das Abgrenzungskriterium.
Und das andere, was mir als bedeutsame Hinzuf?gung zur ganzen Wahrheitsfrage scheint, war das, da? Du eine Antwort versucht hast auf die Frage: Was tun wir, wenn wir der Meinung sind, alle zwei oder drei Alternativen, Hypothesen, die wir haben, sind wahrscheinlich falsch oder ziemlich sicher falsch? Gibt es eine M?glichkeit, objektiv zu sagen, da? eine besser ist als die andere? Das hei?t, kann man eine methodologische Theorie aufstellen, die uns hilft, diejenigen Hypothesen, die der Wahrheit n?her sind, von den schlechteren zu unterscheiden und die schlechteren damit auszusondern? Ich will jetzt auf diese Theorie der Wahrheitsn?he, weil sie vielleicht logisch zu kompliziert ist, nicht n?her eingehen; es wird ja daran weiter gearbeitet.
Ich komme zur?ck zum Abgrenzungskriterium: Falsifizierbarkeit und empirischer Gehalt von S?tzen sind die Grundlage f?r die Unterscheidung von Metaphysik und Wissenschaft, das ist eine ganz andere Unterscheidung als die, die man im Wiener Kreis zwischen Sinn und Unsinn versucht hat. Sie besagt, da? die S?tze der Metaphysik eine ganz andere Beziehung zu Erfahrungss?tzen haben als die S?tze der Wissenschaft.
Ich habe daran anschlie?end ein Problem: Beim Durchgehen gewisser metaphysischer Theorien in der Geschichte der Philosophie, jedenfalls solcher, die immer als genuine metaphysische Theorien vertreten worden sind, ist mit aufgefallen: Die besseren von ihnen haben tats?chlich empirische Konsequenzen. Ein Beispiel: die Parmenideische Theorie vom ?Seienden? ? ?Das Seiende ist, das Nicht-Seiende ist nicht?. Geht man die Fragmente dieser Theorie durch, sieht man, da? er, weil er eine Homogenit?t des Universums vertritt, die Bewegung leugnen mu?, und die Leugnung der Bewegung hat ja schon damals die Zeitgenossen aufgeregt, und sie haben gesagt: Das kann doch nicht stimmen!
So denke ich, da? das tats?chlich eine empirische Konsequenz ergibt, selbst wenn sich Parmenides aus der Schlinge zu ziehen versuchte mit der Ausrede, da? das nur in der Welt der Erscheinungen so w?re. Und so k?nnte ich noch einige andere Theorien aus dem Mittelalter ? metaphysische ? aufz?hlen, die empirische Konsequenzen hatten. Ich m?chte provokativ die Meinung vertreten: Die besseren metaphysischen Theorien haben, wenn man sie vern?nftig interpretiert ? vielleicht auch manchmal im Lichte der neuen Wissenschaft interpretiert ?, interessante empirische Konsequenzen und sind deswegen ?berpr?fbar und falsifizierbar.
(Zitatende) |
Beste Gr??e Ekkehard Friebe
(Fortsetzung folgt)
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24.05.2008 11:34 |
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Re: Popper / Lorenz: ,,Die Zukunft ist offen?? |
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17. Fortsetzung zu:
Karl R. Popper / Konrad Lorenz: ?Die Zukunft ist offen?
Das Altenberger Gespr?ch. Mit den Texten des Wiener Popper-Symposiums
Herausgegeben von Franz Kreuzer
Verlag Piper, M?nchen / Z?rich, 2. Auflage, April 1985
ISBN 3-492-00640-X (Serie Piper Band 340)
Nachstehend bringe ich aus dem oben genannten Buch den Abschnitt:
?Ein Beitrag zum ?Festival der Phantasie?? von den Seiten 72, Absatz 2, bis 73, letzter Absatz:
Zitat: |
1. Tag:
Wissenschaft und Hypothese
(Karl R. Popper, Roman Sexl, Rupert Riedl, Friedrich Wallner, Paul Weingartner)
[ . . . . . . . . . . . . . . . .]
Ein Beitrag zum ?Festival der Phantasie?
Popper: Ja, wir stimmen da vollkommen ?berein. Was den Parmenides betrifft, habe ich gesagt, die empirische Widerlegung des Parmenides hat zur ersten empirischen Theorie der Materie gef?hrt, n?mlich zur Atomtheorie. Ich habe das auch in verschiedenen, zum Teil unver?ffentlichten Arbeiten ausgef?hrt. Das Parmenideische Argument kann man ben?tzen, um den Schlu? des Parmenides, den Schlu?satz - ?Es gibt keine Bewegung? - zu widerlegen und das ganze Argument sozusagen aufzutrennen wie einen Rei?verschlu?, um zu zeigen, da? es Nicht-Existierendes im Parmenideischen Sinn gibt, da? es n?mlich leeren Raum gibt und da? dieser leere Raum voller Atome ist. Das ist, was Leukipp und Demokrit offenbar getan haben. Ich bin ganz Deiner Ansicht, da? unter Umst?nden eine metaphysische Theorie aufgegriffen werden und widerlegt werden kann. Aber die Widerlegung so einer Theorie macht sie dann eben empirisch.
Kreuzer: Da ist doch der verbindende Gedankengang, da? man die Metaphysik und die fr?heren Hypothesen und Theorien nicht einfach als M?ll ?ber die Kante unserer Wissenschaft kippen darf, sondern da? sie uns zeigen, welchen Wert Hypothesen, auch wenn sie noch metaphysischer Art sind, f?r die Wissenschaft haben k?nnen.
Popper: Das wertvollste Besitztum der Menschen sind Ideen. Wir haben nie genug Ideen. Woran wir leiden, ist Ideenarmut. Und Ideen sind ein wertvoller Besitz, daher soll man die Metaphysik mit Respekt behandeln und diskutieren -- vielleicht kommt aus ihren Ideen etwas heraus. Nat?rlich -- das ist das Problem: Wir haben erstens zu wenig Ideen, und zweitens kommt bei ihrer Diskussion gew?hnlich zu wenig heraus. Weil wir zu wenig Ideen f?r die Kritik der Ideen haben. Die Kritik selbst braucht immer wieder neue kritische Ideen.
Kreuzer: In diesem Sinne k?nnen wir unser Symposium in das ?Festival der Phantasie? einbeziehen, im Sinne der eben stattfindenden Wiener Festwochen. Ich danke Ihnen.
(Zitatende) |
Beste Gr??e Ekkehard Friebe
(Fortsetzung folgt mit dem 2. Tag des Popper-Symposiums)
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26.05.2008 11:28 |
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Re: Popper / Lorenz: ,,Die Zukunft ist offen?? |
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18. Fortsetzung zu:
Karl R. Popper / Konrad Lorenz: ?Die Zukunft ist offen?
Das Altenberger Gespr?ch. Mit den Texten des Wiener Popper-Symposiums
Herausgegeben von Franz Kreuzer
Verlag Piper, M?nchen / Z?rich, 2. Auflage, April 1985
ISBN 3-492-00640-X (Serie Piper Band 340)
Nachstehend bringe ich aus dem oben genannten Buch den 2. Tag des Popper-Symposiums,
und zwar zun?chst die einleitenden Worte von Popper von Seite 74:
Zitat: |
2. Tag:
Die drei Welten
(Karl R. Popper, Irene Papadaki, Franz Seitelberger, Marianne Fillenz, Gerhard Vollmer)
Popper: Die Wirklichkeit der drei Welten ist unser heutiges Thema und insbesondere die Wirklichkeit der Welt Drei. Darin steckt das Leib-Seele-Problem, das vielleicht gr??te, ?lteste und schwierigste Problem der Metaphysik. Weiter geht es um das Problem der Beziehung zwischen den drei Welten und der Offenheit der drei Welten zueinander. Diese drei Welten geh?ren nicht der Wissenschaft im Sinne der Naturwissenschaft an. Sie geh?ren zu einem Bereich, den man irgendwie anders benennen mu?, sagen wir zur Metaphysik. Auf die Worte kommt es nicht an. Das hei?t, da? die Diskussion dieser Probleme unter der Sicht der drei Welten von vornherein darauf verzichtet, irgendwelche wissenschaftlichen Anspr?che zu machen. Ich habe Ihnen gestern gesagt, da? die Abgrenzung zwischen Wissenschaft und Metaphysik unter anderem die Funktion hat, uns zu erlauben, ?ber Metaphysik zu reden, ohne solche wissenschaftlichen Anspr?che zu stellen.
(Zitatende) |
Beste Gr??e Ekkehard Friebe
(Fortsetzung folgt)
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28.05.2008 12:01 |
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Re: Popper / Lorenz: ,,Die Zukunft ist offen?? |
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19. Fortsetzung zu:
Karl R. Popper / Konrad Lorenz: ?Die Zukunft ist offen?
Das Altenberger Gespr?ch. Mit den Texten des Wiener Popper-Symposiums
Herausgegeben von Franz Kreuzer
Verlag Piper, M?nchen / Z?rich, 2. Auflage, April 1985
ISBN 3-492-00640-X (Serie Piper Band 340)
Nachstehend bringe ich aus dem oben genannten Buch den Abschnitt:
?Welt der Dinge, Welt der S?tze - dazwischen das Ich? von den Seiten 74, letzter Absatz, bis 77, Absatz 1:
Zitat: |
2. Tag:
Die drei Welten
(Karl R. Popper, Irene Papadaki, Franz Seitelberger, Marianne Fillenz, Gerhard Vollmer)
[ . . . . . . . . . . . . . . . .]
Welt der Dinge, Welt der S?tze - dazwischen das Ich
Popper: Ich beginne sofort mit dem Problem der Welten Eins, Zwei und Drei. Das ist eine vorl?ufige Terminologie. Viele Philosophen haben sich entsetzlich dar?ber aufgeregt, aber es ist etwas ganz Einfaches und braucht gar nicht mit irgendeiner philosophischen Theorie direkt in Verbindung gebracht zu werden. Mit der Welt Eins meine ich die Welt von Gl?sern, Instrumenten, Brillen, Personen, Tischen und so weiter: die physikalische Welt. Mit der Welt Zwei meine ich die Welt unserer Erlebnisse. Hier wird es schon kritisch: Viele Philosophen glauben, da? die blo?e Unterscheidung von Welt Eins und Welt Zwei tiefe, d?stere Bedeutung hat, da? damit reaktion?re Ideen verbunden sind. Es gibt insbesondere Philosophen, die behaupten, da? die Welt Eins und die Welt Zwei in jeder Weise identisch sind. Sie sagen also: Das, was Sie jetzt eben von mir h?ren -- sagen wir das Gef?hl der Langeweile, w?hrend Sie mir zuh?ren --, das ist eigentlich identisch mit Ihrem Haar oder mit Ihren Fingern?geln: In irgendeiner Weise, die ich nicht vorwegnehmen will, ist da eine Identit?t. Das mag sein, vielleicht ist es so. Ich will dagegen gar nichts gesagt haben. Aber die Unterscheidung von Welt Eins und Welt Zwei ist trotzdem n?tig - wenn auch nur, um zu sagen, da? die zwei Bereiche identisch sind oder da? sie es nicht sind.
Wenn man die Unterscheidung nicht macht, ist von einer Identit?t eigentlich keine Rede. Wenn man sagt: Zwei Dinge sind identisch, das hei?t da: Sie sind eines. Aber um von den zwei Sachen zu sagen, da? sie eigentlich eines sind, mu? man sie zun?chst irgendwie unterscheiden. Es ist also keine tiefe Verschw?rung in meiner Philosophie, wenn ich die Welt Eins und die Welt Zwei unterscheide.
Anders steht es mit der Welt Drei. Unter der Welt Drei verstehe ich die Welt der Produkte des menschlichen Geistes. Und hier liegt eine Schwierigkeit vor. Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig, vielleicht sogar das Wichtigste, da? das Zentrum der Welt Drei die menschliche Sprache mit ihren besonderen Charakteristiken ist: die menschliche Sprache mit S?tzen, die wahr oder falsch sein k?nnen. Das ist, was ich mit der Welt Drei haupts?chlich meine. Aus dieser menschlichen Sprache hat sich die menschliche Kultur entwickelt, und so sind Symphonien, B?cher, Bilder, Flaschen entstanden, alles Produkte der menschlichen T?tigkeit..... Sehr wichtige Produkte sind die Flugzeuge. Die ganze Organisation eines Fluges geh?rt zu den besonders wichtigen Produkten des menschlichen Geistes. Kein einzelner Mensch ?wei? alle diese organisatorischen und Sicherheitsma?nahmen. Niemand ?berblickt sie. Aber sie sind offenbar unser geistiges Produkt. Diese Produkte geh?ren zum Teil der Welt Eins an. Dieses Glas hier ist ein Teil der Welt Eins. Insoferne als es ein Produkt des menschlichen Geistes ist -- es ist vielleicht nicht sehr viel Geist drin, aber doch ein bi?chen --, geh?rt es aber nicht nur der Welt Eins an, sondern auch der Welt Drei. Ein Buch, das ist etwas anderes. Ein Buch, insoferne als es schwer ist, ein physischer K?rper ist, geh?rt der Welt Eins an, und insoferne als es einen Inhalt hat, einen sprachlichen Inhalt hat, geh?rt es der Welt Drei an. Ich glaube nicht, da? es hier sehr gro?e Schwierigkeiten gibt.
Die Welt Drei ist nicht meine Erfindung. Ich selbst bin zuerst zur Welt Drei in den Werken des ?sterreichischen Philosophen Bolzano gekommen; ein katholischer Geistlicher, der in der heutigen Tschechoslowakei aufgewachsen ist -- ein ganz gro?er Philosoph. Bolzano hat von ?S?tzen an sich? gesprochen, und dabei hat er nicht nur S?tze gemeint, die niedergeschrieben, also, als Welt-Eins-Bestandteile, auf Papier stehen, sondern er hat bei den ?S?tzen an sich? den Inhalt gemeint, den Inhalt der S?tze, den wir durch ein Welt-Zwei-Erlebnis, also ein psychologisches Erlebnis, erfassen k?nnen. Wir haben also nach Bolzano eine Welt Eins -- das sind die Schriftst?cke; wir haben eine Welt Zwei -- das sind unsere Erlebnisse, wenn wir diese Schriftst?cke lesen; und wir haben eine Welt Drei -- das sind die Inhalte dessen, was wir lesen, vor allem die Inhalte der S?tze.
Die Theorie der Welt Drei ist recht alt. Ich habe Irene Papadaki gebeten, uns einen Bericht ?ber die altgriechische Vorgeschichte der Dreiweltentheorie zu geben. Denn die Welt Drei und ihre griechische Vorgeschichte sind das Thema ihrer Dissertation sowie auch eines Seminars, das sie leitet. Sie w?rde nat?rlich lieber griechisch sprechen, aber sie hat einen kurzen deutschen Abri? ?ber dieses Thema vorbereitet.
(Zitatende) |
Beste Gr??e Ekkehard Friebe
(Fortsetzung folgt)
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30.05.2008 12:35 |
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