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Ekkehard Friebe Ekkehard Friebe ist männlich
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Dabei seit: 23.11.2005
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Beitrag von Holm TETENS Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       IP Information Zum Anfang der Seite springen

"Der Glaube an die Weltmaschine" von Holm Tetens
http://www.ekkehard-friebe.de/Tetens.htm

Hierin hei?t es:

Zitat:

"Am Ende seines Wissenschaftlerlebens zieht der Physiker Max Born ein Fazit der Naturwissenschaften, das vernichtender kaum h?tte ausfallen k?nnen: ?Die poltischen und milit?rischen Schrecken sowie der vollst?ndige Zusammenbruch der Ethik, deren Zeuge ich w?hrend meines Lebens gewesen bin, sind keine Symptome einer vor?bergehenden, sozialen Schw?che, sondern eine notwendige Folge des naturwissenschaftlichen Aufstiegs? (1).

Zu den ?politischen und milit?rischen Schrecken?, die Max Born so eng mit den Naturwissenschaften verbunden sieht, sind inzwischen un?bersehbar die ?kologischen Bedrohungen hinzugekommen. Und dieses Syndrom des Schreckens hat die Wissenschaften in eine gesellschaftliche Autorit?tskrise gest?rzt, die jeder unmittelbar erleben kann, der schon einmal in einer B?rgerinitiative gegen Kernkraftwerke oder Aufr?stung mitgearbeitet hat.

Aber noch erstaunlicher ist es, da? Born ganz ausdr?cklich f?r den ?Bruch in der menschlichen Zivilisation? die ?Entdeckung der naturwissenschaftlichen Methode? verantwortlich macht (2). Worin besteht denn diese Methode, wann wurde sie denn ?entdeckt? und womit wurde denn da ?gebrochen??

Bei der Beantwortung dieser Fragen wollen wir bei der Physik bleiben, hat sie doch den anderen Naturwissenschaften methodologisch den Weg gewiesen. Das methodologisch Bahnbrechende der ?neuen? Physik aber war und ist das messende Experiment. Dies wurde zwar nicht ?entdeckt?, wie Born sich ausdr?ckt, wohl aber methodologisch konzipiert, philosophisch reflektiert und wissenschaftspolitisch durchgesetzt ge?gen konkurrierende Weisen der Naturerfahrung in jener gro?en Umbruchsphase zwi?schen dem Sp?tmittelalter und der Neuzeit (3). Einer von denjenigen, die Pionierarbeit dabei leisteten, die Konzeption einer quantifizierenden Experimentalwissenschaft zu entwerfen und als neuen Erfahrungstypus zu propagieren, war Roger Bacon. Von ihm lesen wir bei Friedrich Wagner, der Bacon zum Teil w?rtlich zitiert: ?Er hat als erster das systematische Experiment und das Quantifizieren in die Naturwissen?schaft eingef?hrt, indem er diese auf das Prinzip der Reduktion der Qualit?t auf die Quantit?t, der Abstraktion und Isolation der Erscheinungen und auf das Experiment begr?ndete, wenn er auch selber noch kaum zu messen verstand. . . . Als Mittel zur Macht ?ber die Natur, ja als Mittel zur Macht schlechthin, gewinnt sie den h?chsten Stellenwert unter den Wissenschaften. ... In einem Weltenaugenblick, in dem die Reichskircheneinheit des Mittelalters im Interregnum zerfiel und ein neuer Mongo?leneinbruch Europa zu ?berfluten begann, riet Roger Bacon dem Papst, ..., die Welt durch diese Wissenschaft zu missionieren und dann durch sie seine Weltherrschaft zu errichten. Da er die Endzeit schon in den Tataren heraufkommen sah als den Vorboten des Antichrist, der seinerseits droht, durch neue Wissenschaft die Erde zu unterwerfen, m?sse die Christen in Bacons Sicht schon um ihrer Notwehr willen ein Wissen beherrschen, das ihnen Reichtum und jene Waffen schenkt, die ihnen die Weltherrschaft sichern? (4).

Welche Visionen einer unentrinnbaren Vernichtungsmaschinerie befl?gelten die ersten methodologischen Entw?rfe einer ExperimentaIwissenschaft noch bevor diese dann in die Tat umgesetzt wurde! ?Bacons Vernichtungswaffen sind nur f?r den Kampf ge?gen die Ungl?ubigen bestimmt . . . Dies gilt f?r seine Verbrennungsspiegel, die ganze Heere und St?dte vernichten, wie f?r jene Kombination von Strahlenwaffen mit ?biologischen? Gift- und Verseuchungswaffen, die durch ihre Wolken von Gift und Ver?seuchungsstoffen den Gegner vernichtend, eine Vorwegnahme der modernsten Kampfmittelkombinationen sind. Es gilt vor allem f?r seine biologischen Zukunftwaffen, die durch die Luft in die Physis der V?lker eingreifen und ?ohne Zwang? deren Willen lenkend ?ber ?die Seelen wirksam verf?gen?, so da? die Menschen Sit?ten, Leidenschaften und Willensregungen ?ndern nach eines Andern Willen - und zwar nicht nur Einzelne, sondern ganze Heere, St?dte und ganze Bev?lkerungen (5)?.

?Wissen ist Macht?, und naturwissenschaftliches Wissen ist Macht ?ber die Natur. Francis Bacon, der philosophische Herold dieser neuen Definition von Wissen. wu?te und sprach es deutlich aus, da? man f?r die Gewinnung eines solchen Wissens aus methodischen Gr?nden von Anfang an nicht auf ver?ndernde Eingriffe in nat?rliche Prozesse verzichten und man sich dabei wohl kaum auf das damals ja noch mehr oder weniger geltende Erkenntnisideal der klassisch-antiken Philosophie berufen konnte, das Bacon selber als ?felicitas contemplativa? charakterisierte. Nein, Bacon ver?suchte den Affront gegen die ?Philosophie der Alten? nicht zu vertuschen, er sprach die handwerkliche Grundlage des Experiments offen als ?vexatio artis?, als ?Mi?handlung der Natur? an ([6).

Ist es nicht in der Tat auff?llig, da? bei der Reflexion auf die experimentelle Methode in der Physik sofort Begriffe wie ?Macht ?ber die Natur?, ?Mi?handlung der Natur?, ?Maschine?, ?Vernichtungsmaschinerie? fallen? Liest sich das nicht wie eine Bekr?ftigung der erstaunlichen Altersbemerkungen von Born?

Werfen wir einen Blick auf das g?ngige Selbstverst?ndnis der Physiker selber und auf die vorherrschende Wissenschaftstheorie der Physik. Nun, dort h?rt sich das weniger gef?hrlich und dramatisch an, die Wissenschaftswelt ist dort in Ordnung, deuten doch die Physiker ihre T?tigkeit so:

- die Physik dient dem Ziel, die Natur an sich zu beschreiben und dadurch zu erkl?ren, da? die in ihr herrschenden Gesetzm??igkeiten aufgedeckt werden; - von diesem Ziel her sind die Physiker ?reiner Wahrheitssuche? allein verpflichtet; - die Technik hingegen ist eine methodisch nicht von vornherein in der Physik angelegte, vielmehr nachtr?gliche Anwendung ?reiner? Forschungsergebnisse der Physik und anderer Naturwissenschaften.

Die Wissenschaftstheorie, die diese Physikdeutung unterschreibt, schweigt sich auffallend aus ?ber das Experiment. Nicht da? sie es verg??e zu betonen, da? die Physik eine Experimentalwissenschaft ist, aber doch h?lt sie sich mit Vorliebe in einem ?platonischen Ideenhimmel? mathematischer Strukturen auf, und nur selten findet sie den Weg zur?ck in die ?Niederungen? der Experimentiertechnik. Das war schon fr?her so ?hnlich: die Handwerker und K?nstleringenieure der beginnenden Neuzeit redeten in ihren Schriften angesichts des fortbestehenden Legitimationsdruck durch das Theorieideal der klassischen Philosophie immer etwas taktisch. ?Bis in das 17. Jahrhundert hinein werden die Hinweise auf eigene Versuche und kontrollierte Beobachtungen mit Entschuldigungen eingef?hrt, und die von Handwerkern und lngenieuren verfa?ten Traktate werden in der Regel mit Entschuldigungen ?ber die Unf?higkeit zu klassi?scher Begrifflichkeit und Argumentation eingeleitet.? (7)

Der wissenschaftsideologische Grund daf?r, das Experiment etwas schamhaft zu ?bergehen, um den tats?chlichen Bruch der experimentellen Methode mit dem klassischen Erkenntnisideal und seinem Wahrheitspathos vergessen zu machen, hat sich bis in unsere Tage forterhalten und hat dazu gef?hrt, da? das Experiment in den wissenschaftstheoretischen Analysen ein K?mmerdasein fristet. Denn kann man sich weiterhin auf das klassische Erkenntnisideal berufen, so kann man trotz der Experimentiertechnik einen methodologischen Hiatus zwischen ?reiner? naturwissenschaftlicher Forschung und ihrer ?nachtr?glichen? Anwendung in der Technik aufrei?en, der wiederum reine Naturwissenschaft von der Mitverantwortung f?r alle ?negativen Folgen? der Technik entlastet.

Fragen wir danach, wie es denn gelingt, das Experiment dem klassischen Erkenntnisideal einzuverleiben, sehen wir, da? dem eine Deutung zupa?kommt, die das Experimentieren als ein nicht ver?nderndes Beobachten und die dabei verwendeten Apparate als blo?e Verl?ngerungen der nat?rlichen menschlichen Sinnesorgane zu Naturobjekten verf?lscht. Ich kann hier nicht darauf eingehen, wie ein Konglomerat aus klassisch-griechischer Erkenntnismetaphysik und neuzeitlichem Empirismus tats?chlich eine solche Deutung des Experiments zustande bringt. Ich will mich auf ein suggestives Bild beschr?nken: Alle experimentellen Handlungen unter Zuhilfenahme von Apparaten werden in ihrem Verh?ltnis zum ?eigentlichen Erkenntnisakt? damit verglichen, wie sich das Aufsetzen einer Brille zum Lesen in einem Buch verh?lt. Um im ?Buch der Natur? zu lesen, setzen wir uns eben eine mathematisierte Apparatebrille auf. Und, bleiben wir einmal im Bild, solange wir forschen, bl?ttern wir nur immer wieder eine neue Seite auf. Erst wenn wir Technik machen und industriell produzieren, kritzeln wir eigene Ver?nderungen in das Buch und geben es immer unleserlicher an die n?chste Generation weiter.

Aber stimmt das ?berhaupt, da? das Funktionieren unserer technischen Artefakte methodisch vorg?ngig die Kenntnis der ?Gesetzm??igkeiten in der Natur? voraussetzt? Zur Antwort m?chte ich eine These formulieren und in freiem Anschlu? an ?hnliche ?berlegungen DingIers begr?nden:

Aus methodischen Gr?nden kann die Physik einer Orientierung auf Apparate gar nicht entraten. Die mathematisierten Gesetzesaussagen in der Physik werden methodisch prim?r am Studium von Apparaten gewonnen und gelten uneingeschr?nkt auch nur von ihnen. Das an Apparaten gewonnene Wissen wird erst danach dazu herangezogen, hypothetisch-modellhaft Naturerscheinungen au?erhalb der Laboratorien zu erkl?ren und vorherzusagen." (Zitatende)



Bitte weiterlesen unter:
http://www.ekkehard-friebe.de/Tetens.htm

Beste Gr??e Ekkehard Friebe

11.01.2006 09:28 Ekkehard Friebe ist offline Email an Ekkehard Friebe senden Homepage von Ekkehard Friebe Beiträge von Ekkehard Friebe suchen Nehmen Sie Ekkehard Friebe in Ihre Freundesliste auf
 
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